In der Mythologie sollen Katzen sieben oder sogar neun Leben haben. Wie auch immer, es ist wohl die unglaubliche Geschicklichkeit der Katzen, selbst ungemein gefährliche Situationen unbeschadet zu meistern, die zum Glauben geführt hat, Katzen hätten mehr als nur ein Leben.
Und dies trifft genauso auf diese Katze zu in Form eines SS Jaguar 100 mit der Chassis-Nummer 39049, der 1938 gebaut wurde. Die 100er Modellreihe – 100 referiert dabei auf eine Höchstgeschwindigkeit von 100 mph (160 km/h) – wurde 1935 von der 1931 aus der Swallow Sidecar Company hervorgegangenen SS Cars Ltd. lanciert, die das Markenzeichen «SS» nutzte. 1937 wurde das bestehende Angebot mit dem 2,5 Liter 6-Zylindermotor und 102 PS durch eine kräftigere Version mit 3 1/2 Litern und 125 PS erweitert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verzichtete das Unternehmen jedoch auf das negativ behaftete Markenzeichen «SS» und die bisherige Typenbezeichnung «Jaguar» avancierte 1945 zum Markennamen aller späteren Modelle bis heute.
Schon kurz nach seiner Auslieferung wurde der SS Jaguar 100 3 1/2 mit dem Kennzeichen CWT 192 bis Kriegsbeginn bei zahlreichen Rennen in England eingesetzt und überlebte – trotz teilweise heftigen Kollisionen mit den Konkurrenten. «That’s racing», meinen dazu die Engländer. Und eben, ein Jaguar mit Katzen-Genen hat ja mehrere Leben.
Nach Kriegsende wurden die Renn-Einsätze für den 39049 weniger, da jüngere und weitaus schnellere Sportwagen die Rennen dominierten, insbesondere die erstaunlich schnellen Jaguar XK 120. So erwarb ein amerikanischer Armeeangehöriger für wenig Geld den Roadster und nahm diesen bei seiner Rückkehr 1958 als Zügel-Gut mit in die USA. Ein kostengünstiges Unterfangen, da die amerikanischen Behörden die Kosten für den Umzugstransport übernahmen.
Doch gegen die fast doppelt so starken und jungen amerikanischen Sportwagen wie Ford Thunderbird oder Chevrolet Corvette hatte der SS Jaguar 100 3 1/2 keine Chance und seine Begehrlichkeit verblasste. Zu seinem grossen Glück wurde er jedoch nicht verschrottet, sondern fachmännisch eingelagert. Denn der Besitzer John Kupier besass eine Anzahl Lagerhäuser in Pennsylvania/New Jersey und wusste, wie Fahrzeuge trocken gelagert werden müssen. Zäh wie Katzen sind, überlebte der Jaguar auch diese Zeit, bis er nach fast 70 Jahren im Jahre 2017 aus seinem Dornröschenschlaf erlöst wurde.
Der heutige Besitzer und Jaguar Sammler Dr. Christian Jenny aus Thalwil erwarb das historisch wertvolle Automobil – nur 118 3 1/2 Liter-Modelle wurden davon gebaut – und liess es in die Schweiz transportieren.
Wer nun eine frame-off-Restaurierung erwartet hätte, wird enttäuscht sein. «Für mich haben Authentik und Originalität allerhöchste Priorität», erklärt Jenny. So wurden nur die spröden Teile der Mechanik konserviert, um die Schweizer Strassenzulassung zu erlangen, inklusive Veteranenstatus und Fiva-Pass.
Heute präsentiert sich der SS Jaguar 100 3 1/2 in seinem ursprünglichen dunkelgrünen Kleid voller Patina. Der Lack ist an einigen Stellen ab, die Lackierung ist voller Risse und das Chrom hat an Glanz eingebüsst. Aber die Mechanik funktioniert perfekt oder sogar besser als bei der Auslieferung vor 86 Jahren. Und so heimst die Katze in ihrem siebten Leben wiederum Preise ein. Diesmal nicht auf der Rennstrecke, sondern bei den Concours in der Klasse «best unrestored car»!
Text: Christoph Bleile / Bilder: Christoph Bleile, zVg