Karen Gaillard und die Iron Dames...

Vor zwei Jahren noch fast unbekannt, legt Karen Gaillard in der Welt des Motorsports einen kometenhaften Aufstieg hin. Die junge Freiburgerin ist seit der letzten Saison Teil des Iron Dames Projekts. Sie gibt uns einen Einblick in ihr 24-Stunden-Rennen in Daytona und ihren Weg an die Spitze.

Interview mit Karen Gaillard

Was hat dich dazu bewogen, an den 24 Stunden von Daytona teilzunehmen?

Alles begann im November letzten Jahres, am Tag nach dem letzten Lauf des Michelin Le Mans Cup in Portimao. Mein Team lud mich ein, den Porsche GT3R zu testen. Eine Chance für mich, ein anderes Auto als den Lamborghini zu fahren, mehr aber auch nicht.

Alles lief gut und ich fühlte mich mit dem Auto wohl. Ein paar Tage später rief mich Giacomo Piccini an und bot mir an, Rahel Frey bei Testfahrten in Daytona zu begleiten. Alles lief sehr gut. Danach erfuhr ich, dass ich mit diesem Porsche an den 24 Stunden von Daytona teilnehmen würde, zusammen mit Rahel Frey, Michelle Gatting und Sarah Bovy.

Wie hast du diese Ankündigung erlebt?

Es war unglaublich, ich war überglücklich. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in den USA, dass war schon toll! Als ich dann auch noch in einem Porsche GT3R beim 24-Stunden-Rennen in Daytona mitfahren durfte, das waren ganz schöne viele Eindrücke, die es zu verarbeiten galt.

Ich konnte es nicht glauben, bis ich mich im Briefingraum mit bekannten Fahrern aus der Formel 1, der DTM und den Langstreckenrennen wiederfand. Als ich Felipe Massa, Kevin Magnussen, Daniil Kvyat usw. sah, wurde mir klar, dass ich an meinem ersten grossen Rennen teilnehmen würde.

Diese legendäre Rennstrecke zu entdecken und auf der Piste zu fahren, war beeindruckend. Ich gebe zu, dass ich mich während der ersten zwei oder drei Runden schlecht gefühlt habe. Auch die innere Rennstrecke ist im Vergleich zu den Strecken, die ich in Europa kenne, überraschend anders. Die Strecke ist ziemlich schmal und auf beiden Seiten gibt es Gras. Alles ist anders.

Du hast ein 24-Stunden-Rennen entdeckt, aber vor allem die Feinheiten des Reglements?

Ich hatte bereits zwei 24-Stunden-Rennen absolviert. Natürlich noch nicht auf diesem Niveau, aber ich war kein völliger Neuling. Das Rennmanagement in Bezug auf die Vorschriften und insbesondere das „Power Management“ war hingegen völlig neu für mich.

Porsche GT3R
Porsche GT3R

Was ist „Power Management“?

Das ist das neue BOP (Balance of Performance). Ein Sensorsystem auf der Hinterachse, dass die pro Relais erlaubte Energie verwaltet. Ich fahre eher aggressiv, musste meinen Stil aber anpassen, um nicht vom Auto bestraft zu werden.

Wer zu stark angreift, verliert Leistung auf der Geraden. Es ist kompliziert zu erklären, aber letztendlich gleicht es die Leistung von allen Autos aus, was die Rennen mit sehr geringen Abständen interessant macht. Das Erlernen des Energie- und Verbrauchsmanagements durch „lift and coast“ war eine Erfahrung, die mir für die Zukunft dienen wird.

Lassen Sie uns nun über das Rennen sprechen.

Ich möchte nicht überheblich klingen, aber ich habe mich nie gestresst gefühlt, was normalerweise nicht zu mir passt. Ich dachte mir, dass es fantastisch war, dabei zu sein und dass es bedeutete, dass man mir vertraute. Im selben Gedanken fragte ich mich, wer es mir verübeln würde, nicht so schnell wie ein erfahrener Fahrer zu sein. Als Beispiel nehme ich jetzt DTM-Champion Tomas Preinig oder Arthur Leclerc.

Im Team war ich die Neue in einer Mannschaft, die schon seit mehreren Saisons funktioniert. Ich kannte weder das Auto noch die Rennstrecke. Ich setzte mich nicht unter Druck, sondern tat, was ich kann. Im Laufe der Sessions kam ich meinen Teamkolleginnen immer näher, bis ich schliesslich auf Augenhöhe war. Sie haben mir sehr geholfen, vor allem Rahel, weil wir den gleichen Fahrstil haben. Die Umgebung war perfekt und ich behielt mein Selbstvertrauen. Ich glaube, ich bin solide Stints gefahren und es lief sehr gut.

Wie hast du dich beim Start und während der 24 Stunden gefühlt?

Selbstbewusst, ohne Druck und darauf vorbereitet, meine Stints zu fahren. Ausserdem könnte ein Aspekt meiner Herangehensweise falsch interpretiert werden, wenn man mich nicht kennt. Ich schaue mir nie das Rennen meiner Teamkolleginnen an. In Daytona habe ich Michelles Start verfolgt und bin an der Box geblieben, weil ich nach ihr gefahren bin. Ich ziehe es vor, mich zu entspannen, abzuschalten und mich auf die Übernahme meines Stints vorzubereiten. Diese Art der Funktionsweise ermöglicht es mir, während der Stints meiner Teamkolleginnen zu schlafen.

Karen Auswahl Porsche
Karen Auswahl Porsche
Karen Gaillard auf dem Weg in die Zukunft
Karen Gaillard auf dem Weg in die Zukunft

Schlussendlich seid ihr auf dem achten Platz gelandet. Bist du mit diesem Ergebnis zufrieden?

Nach den Problemen, die wir hatten, darunter ein Reifenschaden, der uns zwei Runden gekostet hat, können wir mit unserem achten Platz zufrieden sein. Die Platzierung hat trotzdem einen kleinen bitteren Beigeschmack. Wir sind ein solides Rennen gefahren, um wieder in die Runde der Ersten zu kommen, auch dank der Regeln der IMSA. 

30 Minuten vor dem Ziel, kämpfte Michelle um den vierten Platz. Leider gab es einige Zusammenstösse im Feld, die uns auf den achten Platz zurückwarfen. Trotzdem ist es grossartig, bei einem solchen Rennen in die Top 10 zu kommen.

Erkläre uns doch bitte, wie du zur Iron Dames geworden bist.

Alles ging sehr schnell. Um das zu verstehen, muss ich bis zu meinem Debut im Jahr 2020 zurückgehen. Ich hatte die Young Driver Challenge gewonnen, was mich sofort in die Medien brachte, aber nicht zu einem konkreten Programm. Man darf auch nicht vergessen, dass es das Jahr des Covid war. So gut es ging, fuhr ich hier und da ein oder zwei Rennen. Es wurde nichts aufgebaut, aber ich fuhr. Danach riet man mir, mich für eine volle Saison zu verpflichten, in einer Kategorie, die mein kleines Budget finanzieren konnte.

So kam es, dass ich die Saison 2022 in der französischen Mitjet-Meisterschaft absolvierte. Parallel dazu lernte ich David Zollinger kennen, den Leiter von Driving Concept. Diese Fahrschule half mir, meine Herangehensweise an den Motorsport zu verbessern. Ich kann sagen, dass die „Maschinerie“ in Gang gesetzt wurde. Ich teilte mir das Steuer eines Nova-Prototypen mit Grégory de Sybourg. Es war eine neue und wichtige Erfahrung für meine Entwicklung, mit einem Teamkollegen zu fahren und ein aerodynamisches Auto zu entdecken. Wir fuhren mit Grégory eine gute Saison und wurden Zweiter der Meisterschaft.

Im Jahr 2024 wiederholte ich die Klasse Ultimate, mit demselben ANS-Team, demselben Auto und neuen Teamkollegen. Das Niveau war noch höher als 2023. Wir waren oft nahe dabei, aber nie auf dem Podium. Trotzdem war es eine gute Saison mit Iko Segret und Marc Faggionato. Soweit für den ersten Teil, denn ich war auch im Michelin Le Mans Cup engagiert unter den Farben der Iron Dames.

Michelle Gatting, Rahel Frey, Karen Gaillard, Sarah Bovy
Michelle Gatting, Rahel Frey, Karen Gaillard, Sarah Bovy

Wie hat dieses Abenteuer begonnen?

Mit einer ganzen Reihe von wichtigen Faktoren, wie guten Kontakten, viel Arbeit, einer guten Konstellation der Planeten und vielleicht ein bisschen Glück. Es waren diese Elemente, die mir Ende November 2023 einen Anruf von Rahel Frey einbrachten, in dem sie mir einen Test in Spanien anbot.

Ich sass am Steuer eines Lamborghini Uracan GT3 in einer professionellen Umgebung. Nach diesem Test kontaktierten mich die Verantwortlichen von Iron Dames. Sie boten mir an, mit diesem Lamborghini gemeinsam mit Celia Martin im Michelin Le Mans Cup zu fahren. 

So bin ich zum ersten Mal eine Iron Dames geworden. Eine riesige Chance, mich in einem Umfeld auf höchstem Niveau zu bewegen.

Und wie verlief diese Saison?

Es war die Zeit meines grössten Fortschritts. Zunächst hatte ich das Glück, viel fahren zu können, ein unverzichtbarer Aspekt für den Fortschritt. Ausserdem wechselte ich das Auto, was eine weitere wichtige Erfahrung war. 

Der Wechsel von einem leichten Prototyp mit viel Aerodynamik zu einem schwereren GT3, der anders gefahren wird, hat mich enorm viel gelehrt. Was die Ergebnisse angeht, fuhren Iko, Marc und ich mit dem Nova gute Rennen. Doch das Podium blieb uns immer verwehrt. Als ich hingegen mit dem Lamborghini anfing, beendeten Celia und ich unser erstes Rennen in Le Castellet auf dem zweiten Platz. Der Rest der Meisterschaft verlief gut, aber wir hatten keine Gelegenheit mehr, auf das Podium zu kommen.

Abgesehen von den Rennen fanden in der vergangenen Saison verschiedene Veranstaltungen statt.

Es ist so viel passiert, sowohl während als auch ausserhalb der Rennveranstaltungen. Ich habe die Rennstrecke der 24 Stunden von Le Mans kennengelernt, ein Ereignis, dass mir immer in Erinnerung bleiben wird. 

Diese Rennstrecke ruft bei allen Fans, zu denen ich natürlich auch gehöre, so viele Erinnerungen hervor. Die beiden Rennen, die ich gefahren bin, waren nur ein Vorgeschmack auf die 24 Stunden. Dennoch halfen sie mir, die Strecke kennenzulernen. 

Während des Rennens in der Boxengasse zu stehen und den Lamborghini von Rahel, Michelle und Sarah zu verfolgen, wird eine grossartige Erfahrung bleiben. Im Gegensatz zu dem, was ich normalerweise tue, wenn ich Rennen fahre, blieb ich während der gesamten 24 Stunden bei ihnen.

Ein weiterer Höhepunkt des Jahres wird meine Teilnahme mit dem Lamborghini am Meetin in Goodwood bleiben. Es war eine neue Erfahrung und gab Begegnungen mit unglaublichen Persönlichkeiten, insbesondere Jacky Ick.

Porsche Gaillard, Frey in Action
Porsche Gaillard, Frey in Action

Nach diesen emotionalen Turbulenzen kommt deine Auswahl als Porsche-Junior-Fahrerin?

Am Ende der Saison hatte ich nicht wirklich einen Plan für 2025. Ich wusste aber, dass die Iron Dames von Lamborghini zu Porsche wechseln würden.

Da ich seit fast zwei Jahren mit dem Gedanken spielte, mich für die Porsche-Frankreich-Auswahl anzumelden, dachte ich, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sei. Ich schickte meine Bewerbung am letzten Tag ab. Ich hoffte, zu den acht Fahrern zu gehören, die in die engere Auswahl kamen. 

Nachdem ich diese Hürde genommen hatte, musste ich die Beste der acht werden. Das war nicht einfach, als ich herausfand, wer sie waren. Die Auswahl fand an zwei Tagen in Le Castellet statt. Am ersten Tag hatten wir körperliche und kognitive Tests, eine Analyse unserer sozialen Medien und ein Gespräch mit den Coaches. 

Am zweiten Tag ging es darum, uns auf der kleinen Rennstrecke mit einem Porsche Cup zu beurteilen, wobei wir unter anderem vor Patrick Pilet fuhren. 

Kleine Anekdote: Am ersten Tag wurden uns unsere Handys und unsere Uhren abgenommen, damit wir nicht die Zeit unserer Konkurrenten und uns selbst messen konnten. Eine gute Sache: Drei Wochen später erhielten wir die Ergebnisse, und ich war diejenige, die ausgewählt wurde. Es war das erste Mal, dass eine Frau diese Auswahl gewonnen hat.

Das Abenteuer geht mit Iron Dames und Porsche weiter. Mit welchem Programm?

Ja, das ist grossartig! Hauptsächlich fahre ich den Porsche Cup France für die Iron Dames mit Unterstützung von Dimab und dem CLRT-Team. Zudem nehme ich an zwei oder drei Läufen der Schweizer Meisterschaft sowie den letzten Meetings der Porsche Sprint Challenge Southern Europe Ende Februar teil, als Vorbereitung auf die Saison.

Kann man von einem Ziel sprechen?

Ich bin Junior, also hoffe ich, dass ich regelmässig auf dem Podium der Rookie-Wertung stehe, wobei der Sieg in dieser Kategorie das Ziel ist. Wenn es möglich ist, dass Podium in der Gesamtwertung zu erreichen, wäre das ein grosser Erfolg. So weit sind wir aber noch nicht. 

Der Weg wird steil, der Porsche Cup bleibt eine extrem hart umkämpfte Disziplin mit hervorragenden Fahrern. Es gibt viel zu tun. Es liegt an mir, daran zu arbeiten, um es zu schaffen.

Text: Gérard Vallat
Bilder: Iron Dames

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