In einem kürzlich ergangenen Urteil hat sich das Bundesgericht zu den Sanktionen für schwere Verstöße im Straßenverkehr und zur Tragweite der am 01.10.2023 in Kraft getretenen Lockerungen geäussert. Der Fall betraf einen jungen Motorradfahrer, der mit 153 km/h auf einer auf 80 km/h begrenzten Strecke gefahren war. Er wurde in erster Instanz von der Genfer Justiz zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten auf Bewährung verurteilt und schließlich zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt.
Die Entscheidung stützte sich auf Art. 90 Abs. 3ter SVG. Diese Bestimmung ermöglicht eine Strafmilderung für Fahrer, die in den zehn Jahren vor der Straftat nicht schwerwiegend vorbestraft sind. Die Debatte drehte sich um die Auslegung dieses 10-Jahres-Zeitraums: Sollte er nur für Fahrer mit 10 Jahren Erfahrung gelten und damit de facto alle jungen Fahrer von dieser Lockerung ausschließen?
Das BGer hatte die Tragweite des Begriffs "in den letzten zehn Jahren vor der Tat" (Art. 90 Abs. 3ter SVG) noch nicht zu prüfen. Als solche genommen, schafft die Bestimmung das Risiko einer Ungleichbehandlung. Aus den parlamentarischen Arbeiten geht hervor, dass der Gesetzgeber mit der Annahme von Art. 90 Abs. 3ter SVG dem Richter bei der Festlegung der Strafe einen Ermessensspielraum einräumen wollte, da er nicht mehr an die Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe gebunden ist. Das BGer hat entschieden: Das Fehlen von Vorstrafen kommt allen Fahrern zugute, auch den jüngsten.
Man könnte argumentieren, dass diese gesetzliche Entwicklung neue Fahrer begünstigt, die weniger wahrscheinlich frühere Straftaten begangen haben. Es ist vor allem festzuhalten, dass sie eine differenziertere Justiz und eine willkommene, situationsgerechte Anpassung ermöglicht.
Autor:
Julien Broquet
Vize-Präsident des ACS
Avocat au barreau