Im Vorfeld der Volksabstimmung vom 24. November 2024 zur Sicherstellung der zukünftigen Funktionalität unseres Nationalstrassennetzes, offiziell «Bundesbeschluss vom 29. September 2023 über den Ausbauschritt 2023 für die Nationalstrassen», beantwortet uns unser Verkehrsminister, Bundesrat Albert Rösti, eine Reihe von Fragen, die in diesem Zusammenhang des Strategischen Entwicklungsprogramms Nationalstrassen STEP immer wieder gestellt werden.
Im Rahmen des STEP sind bis 2030 Investitionen in der Höhe von 11,6 Milliarden Franken geplant. Wie und wo sollen diese Mittel eingesetzt werden?
Bundesrat Albert Rösti: Der Bundesrat setzt die Mittel für die notwendigen Erweiterungen dort ein, wo sie am dringendsten benötigt werden. Der Verkehr wird bis 2040 auf den Nationalstrassen weiter anwachsen, vornehmlich in den grossen Städten und Agglomerationen. Der Realisierungshorizont 2030 von STEP enthält Projekte im Umfang von knapp 17,4 Milliarden. 5,8 Milliarden davon wurden bereits verbindlich beschlossen und diverse Projekte bereits gebaut, zum Beispiel die Nordumfahrung Zürich mit der dritten Röhre Gubrist, der Sechsspurausbau der A1 zwischen Härkingen und Wiggertal. Im Bau ist zum Beispiel die Umfahrung Le Locle. Noch in diesem Jahr starten die Arbeiten beim A1-Ausbau zwischen Luterbach und Härkingen. Der aktuelle Ausbauschritt von STEP enthält sechs wichtige Projekte im ganzen Land – für rund 4,9 Milliarden Franken, dazu kommen noch 300 Millionen für die planerische Weiterführung für künftige Projekte. Dies sind sehr wichtige Projekte für die Regionen Bern, Basel, St. Gallen, Schaffhausen und zwischen Lausanne und Genf. Weiter sind im Realisierungshorizont noch Projekte für total 6,7 Milliarden enthalten, welche der Bundesrat mit den kommenden Ausbauschritten dem Parlament unterbreiten wird.
Wie will der Bund diese Investitionen finanzieren?
Das Finanzierungsinstrument ist der Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-fonds (NAF), die STEP-Projekte sind vollständig nutzerfinanziert. Das erklärt sich so, dass die Mittel des NAF hauptsächlich aus dem Mineralölsteuerzuschlag, der Autobahnvignette und der Automobilsteuer stammen. Der Bundesrat beantragt beim Parlament, welche Projekte mit NAF-Mittel finanziert und wo und wann sie realisiert werden sollen. Der NAF wurde 2017 vom Volk mit 62 Prozent und von allen Ständen angenommen.
Das Nationalstrassennetz ist ein Teil unserer umfassenden Verkehrsinfrastruktur. Welche Rolle spielt es aus Ihrer Sicht im gesamten Verkehrssystem?
Die Nationalstrassen sind die Stütze des Strassenverkehrs in der Schweiz. Auf rund
drei Prozent des gesamten Strassennetzes werden über 40 Prozent des Verkehrs abgewickelt, beim Güterverkehr sind es über 70 Prozent. Funktionierende Nationalstrassen entlasten Städte und Dörfer zuverlässig vom Ausweichverkehr und ermöglichen wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand. Diese Aufgabe muss das Netzauch künftig erfüllen. Dazu sind punktuelle Kapazitätserweiterungen nötig.
«Die Schweiz wird zubetoniert» – was entgegnen Sie diesen Stimmen?
Der Ausbauschritt 2023 betrifft Fruchtfolgeflächen im Umfang von rund acht Hektaren. Das entspricht gut elf Fussballfeldern. Aber: Diese Fläche wird mindestens zu 100 Prozent wieder kompensiert, in einigen Fällen übersteigen die Kompensationsflächen sogar den Umfang der beanspruchten Fläche und es resultiert ein Zuwachs an Fruchtfolgeflächen. Damit man die Relation sieht: Schweizweit betragen die Fruchtfolgeflächen gesamthaft über 445 000 Hektaren, dies entspricht 623 249 Fussballfeldern. Der Ausbauschritt 2023 beansprucht gerade einmal 0,0017 Prozent davon und kompensiert diese vollumfänglich. Total, inklusive Fruchtfolgeflächen, beansprucht der Ausbauschritt 2023 dauerhaft 53 Hektaren.
Für gewisse geplante Spurerweiterungen benötigt der Bund entlang der
betroffenen Strecken zusätzliches Land. Wie wird dies gehandhabt?
Ja, bei Nationalstrassenprojekten ist – wie auch bei Bahnprojekten und anderen wichtigen Infrastrukturen – oft auch Grundeigentum betroffen. Die benötigten Flächenerwirbt der Bund von Dritten. Es gibt drei Arten von Landerwerb: Dauernder Landerwerb für den Ausbau der Nationalstrasse, temporärer Landerwerb, beispielsweise für Installationsplätze der Baustellen und Baustellenzufahrten sowie Dienstbarkeiten wie Zutrittsrechte für den Unterhalt oder Durchleitungsrechte für neue Leitungen. Wir sind bestrebt, den Landverbrauch so gering wie möglich zu halten. Während der Erarbeitung des Ausführungsprojekts eines Vorhabens wird die
benötigte Fläche festgelegt. Bereits in dieser Phase nimmt das ASTRA mit BetroffenenKontakt auf. Sie werden vor der öffentlichen Auflage persönlich angeschrieben und über alle Details informiert. Alle betroffenen Grundeigentümer können Einsprache gegen das Projekt erheben. Nach Bereinigung aller Einsprachen und der Bewilligung des Ausführungsprojekts, der sogenannten Plangenehmigungsverfügung, findet eine erneute Kontaktaufnahme statt mit dem Ziel, eine Landerwerbsvereinbarung abzuschliessen.
Weshalb ist ein JA zu den geplanten Investitionen im Rahmen des STEP 2030 an der Urne so wichtig?
Vorab zwei wichtige Punkte.
Das Verkehrsaufkommen auf dem Nationalstrassennetz hat sich seit 1960 rasant
entwickelt. Seit 1990 hat es um über 130 Prozent zugenommen. Besonders stark befahrene Nationalstrassenabschnitte sind regelmässig überlastet. Die Folge: Staus
und stockender Verkehr. Besonders betroffen sind – bereits heute – die Agglomerationen Genf, Lausanne Lausanne, Bern, Luzern, Basel, Zürich, Winterthur,
St. Gallen und Lugano. 2023 staute sich der Verkehr auf dem Nationalstrassennetz während insgesamt 48 800 Stunden – ein Rekordwert. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einer Zunahme von 22,4 Prozent. Überlastete Autobahnen führen zu
Ausweichverkehr auf die Kantons- und Gemeindestrassen. Dies hat negative Auswirkungen auf die Bevölkerung, die Verkehrssicherheit, den öffentlichen Verkehr
sowie den Fuss- und Veloverkehr. Ein guter Verkehrsfluss auf der Autobahn ist eine
wirksame Massnahme gegen Ausweichverkehr.
Die Ausbauten machen die Nationalstrassen wieder zuverlässig. Der Unterhalt
von überlasteten Abschnitten wird zunehmend schwierig bis unmöglich. Schon kleine betriebliche Unterhaltsarbeiten wie Grünpflege, Reinigung der Entwässerungs-einrichtung oder Tunnelwartungen führen auf stark belasteten Agglomerations-strecken zu Verkehrsbehinderungen. Bei grossen Unterhaltsarbeiten, wie beispielsweise Gesamterneuerungen oder Tunnelsanierungen ist dieser Effekt
noch wesentlich ausgeprägter. Mit den STEP-Projekten behält das Nationalstrassennetz die Unterhaltsfähigkeit, es bleibt resilient und robust und kann seine Aufgabe – das Aufnehmen der Verkehrsströme – erfüllen. Klassische Beispiele für die fehlende, lokale Netz-Resilienz sind die Projekte im beantragten Ausbauschritt. Ohne sie ist der künftige Unterhalt mit grossen Einschränkungen und Beeinträchtigungen für den Verkehr, die Anwohnenden und die Wirtschaft verbunden: Stau, Umfahrungsverkehr, Reisezeitverluste etc.
Herr Bundesrat Rösti, vielen Dank für Ihre aufschlussreichen Ausführungen.