Der Mittelweg zwischen bewusster Verarbeitung und Pragmatismus

24.06.2021

Wir alle stossen in unserem Alltag immer wieder auf Herausforderungen, durchleben schöne, und eben auch weniger schöne Zeiten. Gerade im Spitzensport ist es in schwierigeren Karrierephasen jedoch enorm wichtig, den richtigen Umgang mit solchen Herausforderungen oder negativen Gefühlen zu finden – sie bewusst zu verarbeiten, anstattsie zu verdrängen. Denn mentale Stärke kann, wenn man sich auf dem Niveau einer Weltmeisterschaft befindet, das Zünglein an der Waage sein, welches zwischen Erfolg und Niederlage entscheidet.

Dieser Umgang mit emotional schwierigen Situationen, teilweise Niederlagen oder Schicksalsschlägen, das ist etwas, was mich in diesem Jahr wohl so stark begleitet hat, wie in fast keiner bisherigen Saison meiner Karriere als Rennfahrer. Angefangen bei den ausbleibenden guten Resultaten in der WM und immer wiederkehrenden sportlichen Rückschlägen – bis hin zum schrecklichen Ereignis Ende Mai in Mugello, mit dem für uns alle noch unbegreiflichen Tod von Jason. Die Tage nach Jasons Unfall haben mich an meine Grenzen gebracht und alles andere in den Schatten gestellt. Die Gefühle, die ich in diesen Tagen durchlebt habe, haben mir aber auch wieder gezeigt, wie wichtig es ist, zwischen bewusster Verarbeitung und Fokus auf die Zukunft zu unterscheiden. Ich musste einen Weg finden, mit dem Geschehenen umzugehen und mich aber gleichzeitig nicht darin zu verlieren. In den letzten Wochen, und genauso auch in den Monaten davor, war deshalb das richtige Mass an  Pragmatismus für mich essenziell, um wieder nach vorne schauen zu können und mich nicht in der Vergangenheit oder in selbst konstruierten Gedankengängen zu verlieren.

Die grosse Kunst dabei ist es, das richtige Mittelmass zu finden zwischen eben dieser Verarbeitung und dem Fokus auf das Hier und Jetzt. Wenn man diese Balance für sich persönlich gefunden hat, dann ist man wohl bereit, Schicksalsschläge und genauso auch andere, alltäglichere Probleme im Leben zu überwinden und stärker daraus hervorzugehen.

Ihr Tom Lüthi, ACS Botschafter

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