Wir haben uns bereits mit der allgemeinen Problematik von Gutachten über Fahrtauglichkeit auseinandergesetzt. Heute beschäftigen wir uns speziell mit einem Gutachten, das im Zusammenhang mit übermässigem Alkoholkonsum angeordnet wurde.
In dieser Hinsicht muss festgehalten werden, dass viele der betroffenen AutofahrerInnen der Meinung sind, sie seien nicht von einem Suchtproblem betroffen. Wir werden nun sehen, dass die betreffenden Gutachten diesen AutofahrerInnen einige böse Überraschungen bereiten können. Sie sind oft schlecht vorbereitet und unterschätzen ganz klar die Risiken einer negativen Beurteilung ihrer Lage.
Hier ist die Gelegenheit klarzustellen, dass eine positive Beurteilung der Fahrtauglichkeit, Voraussetzung sine qua non für die Wiedererlangung des Führerscheins, für die Betroffenen «eine Bewusstmachung des persönlichen Verhalten erfordert, die bei den begangenen Straftaten im Spiel sind, sowie eine Änderung der problematischen Einstellungen und Verhaltensweisen durch Einführung einer Strategie zur Vermeidung von Rückfällen, und schliesslich die Erstellung eines realistischen und kritischen Bildes von sich selbst». Die blosse Behauptung der Betroffenen «Ich habe an diesem Abend zu viel getrunken, das war aussergewöhnlich und war mir eine Lehre, ich werde es nie wieder tun» ist viel zu einfach, um die Voraussetzungen für eine positive Beurteilung durch den Experten zu erfüllen.
Nebst den Kosten und der Zeit, die für das Gutachten aufgewendet werden, muss man sich auch bewusst sein, dass eine Untersuchung zur Feststellung der Fahrtauglichkeit bereits angeordnet wird, wenn die Werte 0,8 mg/l (oder 1,6 %°) erreicht sind. Denn diese Werte geben Anlass zu Zweifeln an eben dieser Tauglichkeit. Zweifel, die mit der Vorlage eines ärztlichen Attests relativiert werden können. In diesem Zusammenhang kommt es relativ häufig vor, dass sich ein Autofahrer/eine Autofahrerin ein solches Dokument in Ermangelung einer regelmässigen medizinischen Betreuung durch den behandelnden Arzt oder gar in Ermangelung eines behandelnden Arztes nicht beschaffen kann! Halten wir hier noch fest, dass ein früheres Gutachten, das sich positiv über die Fahrtauglichkeit äussert, nie relevant ist. Ein Rückfall innerhalb von fünf Jahren senkt den Grenzwert des neuen Vergehens auf 0,4 mg/l (0,8 %°).
Konkret beachtet der Experte verschiedene Elemente, die ihn danach zu einer negativen Entscheidung führen können. In seinem Gutachten trägt er zum Beispiel die folgenden Elemente zusammen: zu frühes oder zu spätes Erscheinen zum vereinbarten Termin, Kleidung, allgemeine Haltung, äussere Anzeichen von Stress, Verständnis der Fragen, persönliche Beweggründe für das Fahren (persönliche, berufliche, familiäre Bedürfnisse), Umstände des Vergehens, Zustimmung oder Ablehnung von Kontrollmassnahmen, angewendete Strategien zur Vermeidung von Rückfällen.
Im Falle einer Autofahrerin (mit Vorgeschichte), die ihr Auto wegen eines medizinischen Notfalls (plötzlicher und starker Fieberanstieg ihrer vierjährigen Tochter) benutzt hatte, hat der Experte folgende ungünstige Punkte festgehalten: schwierige berufliche und finanzielle Situation, emotionale Bewältigung (Angst um die Gesundheit von Angehörigen), manchmal vage oder ungenau Aussagen während des Gesprächs, Tendenz, die eigenen emotionalen Fähigkeiten zu überschätzen. Angesichts dieser Elemente kam der Experte zum Schluss, dass die Autofahrerin noch weitere Fortschritte bei der Überlegung über ihr risikoreiches Verhalten machen und wirksame Strategien entwickeln muss, um ihre Ängste zu bewältigen und einen Rückfall zu verhindern. Ihre Fahrtauglichkeit wurde demnach verneint und der Entzug ihres Fahrausweises aus Sicherheitsgründen auf unbestimmte Zeit verlängert.