Wenn heute von neuen Antriebsformen für Personenwagen und Nutzfahrzeuge die Rede ist, sind nicht mehr Benziner und Diesel im Fokus, sondern Elektromotoren, Batterien, Brennstoffzellen – und Wasserstoff.
Mit Hybrid- und Elektroantrieb steuert die Autoindustrie derzeit zielstrebig in Richtung CO₂-arme Mobilität. Der Übergang vom Verbrenner zum Elektromotor scheint gesetzt, doch das Problem des Stromhaushalts im Fahrzeug ist noch nicht befriedigend gelöst.
Quasi als Konkurrentin für die Lithium-Ionen-Batterie bietet sich die Brennstoffzelle an. Sie produziert den elektrischen Strom für den Antriebsmotor an Bord mit Wasserstoff und Sauerstoff. Der Wasserstoff (H₂) wird in wenigen Minuten getankt, den Sauerstoff (O₂) bezieht das Aggregat aus der Umgebungsluft. Das klingt überzeugend einfach, ist jedoch mit einigen Problemen verbunden.
Noch ist das H₂-Tankstellennetz dünn, in der Schweiz gibt es gerade einmal sechs öffentliche Stationen. Mit der Lancierung einer grösseren Zahl von Brennstoffzellen-LKW durch Hyundai und der Wasserstoff-Initiative des Schweizer Unternehmens H₂ Energy dürfte das Netz aber rasch wachsen. In Bussen und Lastwagen wie dem Hyundai Xcient bietet das Brennstoffzellensystem den Vorteil, dass grosse Reichweiten ohne wesentliche Nutzlast- und Ladevolumenverluste möglich werden. Die Antriebseinheit des Xcient besteht aus zwei Brennstoffzellen-Stacks mit zusammen 190 kW, einem Batteriepaket von 73 kWh, einem Elektromotor mit 350 kW und einem Allison-Automatikgetriebe. 34,5 kg Wasserstoff in 350-bar-Druckbehältern ermöglichen einen Aktionsradius von rund 400 Kilometern.
Auch für Personenwagen ist der Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb serienreif. Hyundai mit dem Nexo und Toyota mit dem Mirai bieten bereits Systeme der zweiten Generation an. Während die Vorteile beim Tanken und beim Fahrzeuggewicht eklatant sind – Brennstoffzelle und Pufferbatterie im Toyota Mirai wiegen nur 70 Kilogramm –, ist die Kostenfrage noch offen. Marktpreise für FC-Modelle (Fuel Cell, Brennstoffzelle) müssen sich erst einpendeln. Zurzeit sind die Autos mit 59 900 bis 71 900 Franken für den Toyota und 89 900 Franken für den Hyundai noch nicht wirklich wettbewerbsfähig. Vergleichbar dagegen sind die Treibstoffkosten: Für 100 Kilometer benötigt ein FC-Auto rund ein Kilogramm Wasserstoff à 12.50 Franken. Benzin für 100 Kilometer kostet für ein vergleichbares Fahrzeug etwa 12 Franken, und für ein Dieselmodell ist mit 9 bis 10 Franken zu rechnen.
H₂-Tanken geht zwar schnell, doch gibt es einen anderen Pferdefuss: Um den 700-bar-Tank befüllen zu können, muss der Wasserstoff an der Tankstelle mit Kompressoren auf annähernd 1000 bar komprimiert werden – was natürlich sehr energieaufwendig ist. Einfacher lässt sich Wasserstoff tanken, wenn er in einem flüssigen Medium gespeichert ist. Sportwagenhersteller Gumpert beispielsweise betankt den schnellen Zweisitzer Nathalie mit Methanol, aus dem ein Reformer an Bord des Fahrzeugs H₂ extrahiert und der Brennstoffzelle zuführt. Auch Karma Automotive – früher Fisker, jetzt zum chinesischen Wanxiang-Konzern gehörend – arbeitet an einem ähnlichen System. Damit diese Autos vollständig CO₂-neutral fahren, muss das Methanol aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt worden sein.
Wasserstoff lässt sich auch im Verbrennungsmotor verarbeiten. Verschiedene Hersteller waren mit solchen Modellen nahe an der Serienfertigung. BMW mit einem V12-Wasserstoffmotor im Siebner und Mazda mit einem H₂-Wankelmotor im RX-8 Hydrogen RE gaben die Weiterentwicklung aber wieder auf. Seit kurzem ist das Thema nun wieder aktuell. Das süddeutsche Unternehmen Keyou und auch Zulieferer Bosch rechnen damit, dass H₂-Verbrenner – modifizierte Dieselaggregate – im LKW eine sinnvolle Alternative zum Brennstoffzellen- oder Batterieantrieb sein können.
Ein weites Einsatzgebiet für H₂ sehen Ingenieure bei den synthetischen Treibstoffen. E-Fuels lassen sich aus H₂ und CO₂ in bekannten chemischen Verfahren zu Otto- und Dieseltreibstoffen oder Kerosin massschneidern. Auch wenn sie teuer und nicht in riesigen Mengen herstellbar sind, könnten sie doch für den Langstrecken-Transportverkehr oder für den Betrieb von Oldtimern attraktiv werden.
Eine grosse Hürde stellt jedoch die Herstellung des Wasserstoffs dar. Das Element ist zwar sehr häufig, kommt aber kaum je in freier Form vor, sondern in der Regel als Molekül H₂ in Verbindung mit Sauerstoff (O) als Wasser (H₂O). Wasserstoff muss also hergestellt werden – unter Einsatz von Primärenergie. Aus wirtschaftlichen Gründen werden heute etwa 95 Prozent des Wasserstoffs aus Erdgas erzeugt. Nahezu emissionsfrei kann die Herstellung durch elektrochemische Wasserspaltung per Elektrolyse von Wasser mit Strom aus regenerativen Quellen erfolgen.
Man mag einwenden, dass der Wirkungsgrad des Brennstoffzellenantriebs schlechter ist als jener des Batterie-betriebenen Elektroantriebs. Wird der Wasserstoff für die Brennstoffzelle jedoch per Elektrolyse mit überschüssigem Wind- und Solarstrom hergestellt, spielt dies keine relevante Rolle. Im Weiteren wird auch an biologischen Verfahren zur Wasserstoffherstellung gearbeitet, doch befinden sich diese noch im Laborstadium.
Text: Stephan Hauri
Bilder: zVg