FAHRBERICHT ALPINE A110 R

Erfrischend leicht

Gewichtsprobleme waren bei einem Sportwagen wie der Alpine A110 nie ein Thema: Die flache Karosserie besteht komplett aus Aluminium und das 252 PS starke Basismodell bringt gerade einmal 1100 Kilo auf die Waage. Auch die mit 300 PS kräftigeren Versionen A100 GT und A110 S sind kaum schwerer. Trotzdem sagt die Sportwagenschmiede von Renault «Da geht noch was» und setzte beim Topmodell A110 R zu einer noch radikaleren Magerkur an.

Noch leichter, schneller und noch extremer lautet die Devise für die A110 R. Eine strikte Diät ist die beste Vorrausetzung für eine gesteigerte Performance und hohe Agilität. Daher purzelten beim ohnehin schon federleichten Sportwagen nochmals die Pfunde. Zum Abspecken griff die Alpine-Mannschaft tief in die Trickkiste und setzte auf teuren Feinschliff in Form von reichlich Kohlefaser. So fällt beim Rundgang dann auch sofort die in Karbon gehaltene Fronthaube ins Auge, die bei der A110 R mit ihren integrierten Lufteinlässen die Luft gezielt zur Oberseite des Fahrzeugs leiten und den Anpressdruck erhöht.

Mit Schwanenhals

Aber damit nicht genug. Ebenfalls aus Carbon gefertigt sind das Dach und die schlanken, seitlichen Schweller-Flaps. Ja, selbst die Heckscheibe wurde durch eine breite Kohlefaserabdeckung ersetzt. Im Vergleich zum bisherigen Heckflügel des für die A110 S erhältlichen Aero-Pakets wurde dieser weiter hinten und auf Schwanenhals-Halterungen montiert. Da der Anstellwinkel geringer ausfällt, verringert sich der Auftrieb an der Flügel-Unterseite.

Auch der breite Diffusor am Heck verbessert die Aerodynamik und erzeugt mehr Unterdruck unter dem Fahrzeug. Die umfangreichen Maßnahmen mit dem Leichtbaumaterial aus dem Rennsport tragen dazu bei, dass die A110 R nun 1082 Kilogramm leicht ist. Das sind 34 Kilo weniger gegenüber dem bisherigen Topmodell. Nicht zuletzt aber auch, weil die R-Felgen aus Kohlefaser gefertigt wurden und mit geringen 12,5 Kilo ebenfalls maßgeblich zur Gewichtsreduzierung beitragen.

Felgen aus Carbon

Satte zwei Jahre hat Alpine alleine in die Entwicklung der Carbon-Felgen gesteckt. Aber wer sollte sie produzieren? Zulieferer aus dem Motorsport bauen meist in sehr geringen Stückzahlen und die Fertigung der Kohlefaser-Räder benötigt selbst in der Kleinserie eine gleichbleibend hohe Präzision. Da kam die Firma Duqueine ins Spiel. Eigentlich produziert das französische Unternehmen für die Luftfahrt und baut für die Airbus A350 den kompletten Kohlefaser-Rumpf. Jetzt fertigen die Franzosen auch die ultraleichten Karbon-Felgen für Alpine und das Problem war gelöst.

Auch im Innenraum setzt die Alpine auf Leichtbau. Die neuen Sport-Schalensitze bestehen ebenfalls aus Karbon, sind fünf Kilo leichter und dank ihrer guten Kontur, die besten die die Marke jemals eingebaut hat. Die schlanken Schalen erweisen sich als bequem und sind – wie übrigens das gesamte Interieur – mit schwarzem Mikrofasergewebe bezogen. Neben den Sportsitzen sorgen Sechs-Punkt-Gurte bei Fahrer und Beifahrer für weiteres Motorsportfeeling. Darüber hinaus ersetzen zwei rote Riemen die herkömmlichen Türgriffe, das senkt zusätzlich das Gewicht.

Kräftig nachgeschärft wurde auch das Fahrwerk. Die Alpine A110 R kauert zehn Millimeter flacher auf dem Asphalt und ist mit steiferen Federn von Eibach sowie einem einstellbaren Dämpferpaket von ZF ausgerüstet. Ebenso wurde die Steifigkeit der Stabilisatoren erhöht. Zudem kann der Fahrer die Druck- und Zugstufe des Sportfahrwerks ganz nach seinem Gusto über einen Drehring mehrfach einstellen. Und damit die Alpine auch abseits von normalen Strassen eine gute Figur macht, rollt sie serienmässig auf rennstreckentauglichen Semi-Slicks Michelin Pilot Sport Cup 2 an.

Motor bleibt unangetastet

Der 1,8-Liter-Turbo blieb hingegen unangetastet. Es bleibt bei den bekannten 300 PS aus der S sowie der GT. Allein aus Prestigegründen hätten uns für das neue Alpine-Topmodell ruhig ein paar PS mehr gewünscht, aber das Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe verträgt nicht noch mehr Drehmoment als die ohnehin schon guten 340 Newtonmeter. Aber das ist alles Jammern auf hohem Niveau, denn der Mittelmotor hat mit dem geringen Lebendgewicht ein leichtes Spiel und schiebt vehement nach vorne.

Für den Prestigesprint von 0 auf 100 km/h benötigt die A110 R nur 3,9 Sekunden und presst den Fahrer samt Co-Piloten in die Sitzschalen. Maximal ist sie 280 km/h schnell – das sind 20 km/h mehr als bei der S. Dass die Heckscheibe einer Abdeckung aus Carbon weichen musste, mag den Fahrer einer A110 R wohl kaum stören. Auch nicht, dass der Innenspiegel fehlt. Der weiss ohnehin: «Hey, was soll´s, da wo ich bin, ist vorne.» Was dahinter abgeht, gerät zur Nebensache und fürs Einparken gibt es ja schließlich noch die Rückfahrkamera.

Klanglich hätten wir von dem direkt hinter den Passagieren liegenden Vierzylinder jedoch mehr erwartet. Zwar spratzt der Doppelauspuff beim Runterschalten mehrfach, aber irgendwie fehlt es an sattem Sound. Einfach schade. Dafür erntet die Lenkung ein breites Grinsen, die jeden Befehl sehr zackig und höchst präzise umsetzt. Die ausgewogene Gewichtsverteilung und das fein ausbalancierte Sportfahrwerk sorgen für weiteren hohen Fahrspaß. Dabei liegt der Restkomfort sogar auf einem wesentlich höheren Niveau als bei der kompromisslos harten A110 S.

Haben die Semi-Slicks von Michelin ihre Betriebstemperatur erreicht, klebt die leichtfüßige, ahndliche und agile Alpine sogar noch besser auf Asphalt als zähes Kaugummi am Schuhwerk. So reduziert sich die flache Französin auf das Wesentliche.

FAZIT

Dass aber inzwischen weniger mehr ist, wissen wir spätestens seit dem Einkauf im Supermarkt. Nach dem gleichen Prinzip verfährt auch Alpine bei der R. Doch hat der reichhaltige Einsatz von kostspieligem Carbon seinen Preis: mindestens CHF 109'000.-- ruft die Renault-Tochter in der Schweiz für ihr radikales Sportmodell auf.

Autor mru/cen / Bilder Markus Rutishauser

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