Man nehme einen Cayman GT4 RS, baue ein Stoffdach darauf, das bei mehr als 200 km/h nicht nutzbar ist. Eine durchdachte Idee? Vielleicht nicht. Oder vielleicht gerade deshalb.
Es gibt einen Moment, wenn man den Spyder RS fährt, der das Wesen des Autos einfängt. Der Moment, in dem der Bordcomputer einen kurz vor Erreichen von 200 km/h auffordert, langsamer zu fahren. Der Grund dafür? Das dünne, einlagige Verdeck kann höhere Geschwindigkeiten nicht verkraften. Fast ein Paradoxon für ein Auto, dass für Kerbs geboren wurde... Vielleicht ist das der Moment, in dem man merkt, dass man ein ungewöhnliches Auto in den Händen hält.
Der Porsche 718 Spyder RS ist im Grunde genommen ein Cayman GT4 RS ohne Dach. Oder besser gesagt: mit einem leichten Verdeck (inklusive Mechanismus nur 18,3 kg schwer), dass nur von Hand abgenommen werden kann. Ein Vorgang, der ein Minimum an Ausbildung, eine Menge Zeit, ein wenig Geduld und möglicherweise eine zweite Person erfordert. Ein notwendiger Aufwand, wenn man die 200 km/h-Grenze überschreiten will. Und das ist genau das, was man tun will, da es fast die gesamte Mechanik mit dem GT4 RS teilt und somit alle Eigenschaften einzigartig sind. Mit dem feinen Unterschied, dass der Spyder bereits das Gefühl vermittelt, etwas extrem Seltenes und Exotisches zu fahren.
Er teilt sich mit seinem Coupé-Pendant die synthetische Motorhaube mit Sichtcarbon und die ikonischen NACA-Lufteinlässe sowie alle auffälligen und funktionalen aerodynamischen Anbauteile – mit Ausnahme des Heckflügels, der hier als „Entenschwanz“ ausgeführt ist. Zudem trägt das Testmodell markante Elemente des Weissach-Pakets, wie die Magnesiumräder und die Titan-Auspuffendrohre. Und natürlich das Herzstück: der Motor, der identisch mit dem des 911 GT3 ist. Es handelt sich um einen 4-Liter-Saugmotor mit 500 PS und einer Drehzahlbegrenzung bei 9.000 U/min.
Das der Motor im Vergleich zum GT3 näher an den Insassen positioniert ist und der Ansaugtrakt direkt hinter den Kopfstützen liegt, intensiviert das Klangerlebnis erheblich. Besonders beim Spyder RS erreicht die Klangkulisse ihren Höhepunkt, da das Fehlen des Dachs und damit des letzten Filters zwischen Ohr und Ansaugtrakt, die Geräusche umso unmittelbarer macht. Es ist schwer, dass in Worte zu fassen – man muss es einfach erlebt haben.
Viel einfacher lässt sich über die Qualitäten in den Kurven sprechen. Zunächst sei gesagt, dass der Cayman GT4 RS hier all das mitbringt, was ihn so besonders macht: ein ausgewogenes, äusserst präzises Fahrverhalten, dass selbst an den Grenzen des Möglichen nie unlogisch wirkt. Im Vergleich zu den Varianten ohne „RS“ -Zusatz, also dem „normalen“ GT4 und dem Spyder geht hier alles schneller: Die Leistung ist agiler, die kürzere Übersetzung sorgt für noch mehr Direktheit, die Kurvenfahrt wird noch präziser, und die Karosseriebewegungen sind viel kontrollierter. Dadurch lässt sich der Wagen selbst in die anspruchsvollsten Linien und Passagen drücken ohne, dass das Fahrverhalten weniger intuitiv oder schwieriger wird – vorausgesetzt, man bringt die nötigen Fahrkenntnisse mit. Und nicht zuletzt ist das Bremssystem hervorzuheben, mit dem man aus 100 km/h in weniger als 30 Metern zum Stehen kommt.
Ähnlich wie der Cayman GT4 RS ist der Spyder RS nicht einfach ein Cayman GT4 (oder in diesem Fall: ein Spyder) mit 80 PS mehr und 40 kg weniger: Es handelt sich um ein grundlegend anderes Konzept, dass in erster Linie auf den Einsatz zwischen den Kerbs ausgerichtet ist, ein Kontext, in dem es zudem in der Lage ist, eine konstante Leistung zu gewährleisten, was nicht immer selbstverständlich ist. An dieser Stelle stellt sich die Frage, ob es wirklich notwendig war, auch eine offene Version zu bauen, wenn man bedenkt, dass man mit aufgesetztem Verdeck nicht schneller als 200 km/h fahren kann und dass das Fahren auf der Rennstrecke bei Regenwetter nicht sehr angenehm sein kann. Einige Kollegen haben es als das Auto bezeichnet, dass niemand braucht, aber jeder gerne hätte. Ich bin mir nicht sicher, ob es jeder haben möchte oder ob es nicht doch besser ist als ein "geschlossenes" Gegenstück. Aber in einer Welt, die sich zunehmend an der Rationalität orientiert, ist der Spyder RS ein Fest der automobilen Irrationalität in ihrer reinsten Form. Vielleicht geht es nicht darum, nach dem Sinn zu fragen, sondern zu akzeptieren, dass es vielleicht keinen gibt. Und es zu geniessen, Kurve für Kurve.
Text und Bilder: Benjiamin Albertalli