Es ist Mitte November, wir sitzen bei strahlend blauem Himmel und 29 Grad vor dem Wohnmobil (Womo) irgendwo am Rande der Wüste.
Die allerletzte Asphaltstrasse war zu Ende, aber wir fuhren noch 400 Meter weiter bis zum allerletzten Campingplatz vor, oder besser gesagt schon in der Wüste. Und das alles mit einem ganz normalen Wohnmobil, kein Allradantrieb, kein Spezialaufbau, aber mit Winterpneus. Schliesslich kamen wir über den Tizni-Tirherhouzine-Pass hoch, der ganze 2706 Meter über dem Meeresspiegel liegt.
Marokko ist extrem abwechslungsreich und wir sind froh, entschieden wir uns kurzfristig, dieses Land für vier Wochen zu bereisen und uns auf ein neues Abenteuer einzulassen. Wir waren so begeistert, dass wir zwei Jahr später wieder im November hinfuhren und diesen Bericht direkt aus der Wüste schreiben.
Vor
der ersten Reise war die Ungewissheit gross und viele Fragen standen im Raum:
das erste Mal in einem muslimischen Land, dazu in Afrika mit einer total
anderen Mentalität. Kann das gut gehen? Wir waren schliesslich überrascht, wie
viele Vorurteile wir hatten, die sich als falsch herausstellten. Ich hasse es,
irgendwo um den Preis feilschen zu müssen, bin ich da im richtigen Land? Aber
es ist gar nicht so schlimm, weder auf dem Markt um das Gemüse noch um andere
Lebensmittel muss gehandelt werden, es gibt einen Preis und der ist im ganzen
Lande gleich. Gefeilscht muss trotzdem werden, und zwar überall dort, wo es
Touristen hat und es um Teppiche, Schmuck oder andere Exportartikel geht. Und
da ist es gut zu wissen, dass man aus jedem Geschäft, aus jeder Besichtigung
problemlos auch nichts kaufen und mit leeren Händen weggehen kann. Ausser, und
das ist wichtig, man fragt nach dem Preis. Eine Frage: «Wie viel kostet das?»
ist eine Kaufabsicht, aus der man ohne feilschen nicht mehr rauskommt. Da
können sich die Verhandlungen dann auch mal über eine Stunde hinziehen…
Das Land ist also fast problemlos, auch von der Sicherheit her. König Mohammed
VI. verhindert mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, dass der
fanatische Islam in sein Land einzieht. Die Grenzen nach Süden sind
abgeriegelt, auf den Strassen Polizeikontrollen allgegenwärtig. Wir haben uns
nicht mal in Europa so sicher gefühlt wie hier in Marokko. Wir als Touristen
werden immer sehr höflich und sehr gastfreundlich behandelt.
In diesem landschaftlich wunderschönen Land gibt es aber auch einige Herausforderungen: Die grossen Städte wie Marrakesch, Fes oder Agadir sollte man erst besuchen, wenn man Land und Leute schon etwas kennt, sonst wird man gnadenlos «abgezockt». Beim Kauf von Fleisch muss man sich bewusst sein, dass das Poulet beim Kauf meistens noch lebt, dafür ist es frisch. Und auch beim restlichen Fleisch ist die Hürde beim Kauf viel grösser als danach beim Essen.
Uns Schweizer interessiert hier in Marokko die Wüste. Davon gibt es zwei Gebiete, die sich lohnen anzufahren. Die Erg Chebi bei Merzouga im Osten von Marokko ist ein grosser Spielplatz für immer noch pubertierende Männer, um mit Alladantrieb 4x4, Quad und Motorrad in den Sanddünen herumzucrossen. Natürlich auch für uns Womo-Fahrer, denn wir können unser Gefährt direkt vor den Sanddünen hinstellen, tolle Fotos schiessen, zu Fuss in die Wüste marschieren, Kameltouren buchen und die herrlichen knallroten Sonnenuntergänge geniessen. Eine wirkliche Bilderbuchwüste im kleineren Format, aber immer noch so gross, dass auch eine Tagestour drinliegt.
Weiter im Süden ist die Erg Chegaga bei M’hamid, dort wo wir jetzt am wirklichen Rand der Sahara stehen. Ab hier kommt man mit dem Wohnmobil nicht mehr weiter und die Sanddünen sind noch 40 Kilometer entfernt. Will man bis zum Sand, muss eine Tour mit Kamelen (6 Tage) oder 4x4 (2 Tage) gebucht werden. Aber dann ist man dort, in der unendlich weiten Sandwüste, stockdunkle Nacht mit Wahnsinns-Sternenhimmel und ewiger Ruhe. Ab dort sind es dann nur noch 44 Tage bis Timbuktu!
Text und Bilder: Rolf Järmann