Von einem «grossen Erfolg» sprachen die Veranstalter am letzten Tag der IAA Mobility 2021 in München (7.-12. September). Rund 400'000 Menschen haben laut offiziellen Angaben die Messe besucht. Und trotzdem: Spannend ist das neue Format nur für Fachleute.
Die IAA Mobility 2021 war als Nachfolgeveranstaltung der klassisch konturierten Automobil-Ausstellung in Frankfurt (letztmals 2019, 560'000 BesucherInnen, 7800 Journalisten aus 95 Ländern) die erste grosse Plattform für die Mobilität der Zukunft. Noch vor vier Jahren besuchten über 810'000 Autofans die IAA, die vor allem seitens der deutschen Premiumhersteller in Gigantismus abdriftete. Frankfurt wechselte sich jeweils mit der Mondial Paris Motor Show ab (2012: 1,2 Millionen BesucherInnen), wo logischerweise die französischen Hersteller dominierten. Der einzige jedes Jahr durchgeführte grosse Autosalon in Europa – und zudem auf neutralem Boden - war bis zur Pandemie die Geneva International Motor Show (2019: 602'000 BesucherInnen).
In München wurden Mitte September nun die verschiedensten Verkehrsträger vom Auto über Fahrrad bis hin zu digitalen Lösungen und der Urban Air Mobility (Flugautos bzw. -taxis) unter einem «ideellen Dach» zusammengeführt, auf dem Gelände der Messe München und an zahlreichen Orten, sogenannten «Open Spaces», in der Innenstadt. 744 Aussteller und 936 Redner aus 32 Ländern waren vertreten und konnten ihre Innovationen und Visionen für die klimaneutrale Mobilität der Zukunft vor Ort oder per Livestream einbringen. Für die Eröffnung war auch die scheidende Kanzlerin Angela Merkel angereist.
Hildegard Müller, Präsidentin des Verband der Automobilindustrie in Deutschland, und zusammen mit der Messe München die IAA-Veranstalterin: «Wir haben in München ein friedliches Fest der Mobilität erlebt. München und Bayern sind nun das neue Zuhause der weltweit grössten Mobilitätsveranstaltung!» Letzteres sagt viel über das neue Format der IAA aus: Mobilität in allen Facetten, aber massiv weniger poliertes Autoblech. So fehlten mehr als ein Dutzend der grossen Autohersteller wie etwa Toyota, Hyundai, Ford oder auch Peugeot/Citroën. Nicht einmal Opel war vor Ort. Auf den grossen Bühnen präsentierten sich einzig Mercedes mit seinen Elektro-Neuheiten, VW mit einem Ausblick auf den ID.2, Audi mit dem A8-Conceptcar Grandsphere, oder BMW mit seinem E-Grand Coupé i4 sowie Renault mit dem neuen vollelektrischen Mégane E-Tech. Emotionsturbos wie Ferrari, Aston Martin, McLaren, Bentley, Lamborghini, um nur einige zu nennen, suchte der Autoenthusiast vergebens. Stattdessen fand er zahllose, vielfach nur in Fachkreisen bekannte Zulieferer, welche die Lücken mehr schlecht als recht füllten. Ein Schweizer Journalist fragte deshalb halb scherzhaft, halb im Ernst: «Sollen etwa Autofans mit glänzenden Augen bei Conti, Magna oder Schaeffler verträumt über Schiebemuffen oder Tandemschrägkugellager für Getriebe streicheln?» Sogar deutsche Landkreise oder auch der US-Bundesstaat South Carolina waren mit ihren Mobilitätsstrategien vertreten. Und dann gab es auch noch zahlreiche Start-ups und KMU’s, die vor allem Investoren für ihre Ideen begeistern wollten.
Im grossen Mix aus traditionellen Autoherstellern, Zulieferern, Start-ups und Mobilitätsanbietern war das alles überstrahlende Hauptthema der IAA Mobility 2021 trotzdem schnell erkannt: Die Elektromobilität. Mercedes-Benz, Volkswagen oder Renault präsentierten einzig ihre batterieelektrische Zukunft. Durchaus im Wissen darum, dass Elektroautos kurz- und mittelfristig nur in Europa, den USA, Australien/Neuseeland und Teilen Asiens ein Schwergewicht der individuellen Mobilität sein werden. In Afrika oder auch Südamerika hinkt man diesbezüglich noch viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte hinterher. Dort wird der Verbrennungsmotor noch sehr lange überleben.
Umso interessanter waren an der IAA Mobility junge Unternehmen, die mit einem erweiterten Horizont fragten, ob man es nicht auch anders machen kann. Die Stichworte dazu lauten: grüner Wasserstoff, Brennstoffzelle, biologische und synthetische Kraftstoffe, die klimaneutral den bereits vorhandenen Fahrzeugbestand antreiben. Während die meisten europäischen Hersteller – indoktriniert vom EU-Parlament - die Elektromobilität priorisieren und massiv pushen, übernehmen asiatische Unternehmen wie Hyundai/Kia oder Toyota beim Wasserstoffantrieb die Leaderrolle. Die Asiaten haben erkannt, dass das Elektroauto alleine keine Chance hat, den Klimawandel zu bremsen. Es wird nur eines von mehreren Puzzleteilen auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität der Zukunft sein.
Am Wochenende kam es zu Demonstrationen gegen die IAA Mobility. Mehr als 14'000 Menschen beteiligten sich an einer Radsternfahrt und an einem Protestzug durch die Münchner Innenstadt. Sie fordern eine Mobilitätswende mit weniger Autos und besseren Alternativen zur Fortbewegung. Auch mit dem neuen nachhaltigen Look bleibe die IAA ein Marketing-Event der Automobilbranche. Zwar wurde weitgehend friedlich demonstriert, doch kam es auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzte. 87 Demonstranten wurden dabei vorübergehend fest- oder in Gewahrsam genommen und insgesamt 144 Strafanzeigen ausgestellt worden. Während das Innenministerium sich lobend über den Einsatz der bis zu 4500 Ordnungskräfte äusserte, forderten dagegen die Grünen im bayerischen Landtag eine umfassende Aufarbeitung des Polizeieinsatzes.
Text: Markus Rutishauser
Bilder: vda/mru