Die vorliegende Rubrik wird von Juristen verfasst, die auf Straf-, Verwaltungs- und Haftpflichtebene im Strassenverkehr-Bereich tätig sind. In jeder Ausgabe wird synthetisch und so einfach wie möglich eine andere Problematik dargestellt, und dies trotz einer komplexen Entwicklung der geltenden Rechtsvorschriften. Heute wird das Thema Alkohol am Steuer und Fahrtüchtigkeits-Gutachten behandelt.
Jedermann weiss es: in der Schweiz liegt heute der Grenzwert für das Fahren bei 0.5 %o, während er früher auf 0.8 %o festgelegt war. Wir reden von Milligramm Alkohol im Blut. Seit 2014 hat das Gesetz der Kontrolle durch die Atemalkoholprobe, den allseits bekannten „Ballon“, erhöhte Beweiskraft zugesprochen. Damit wird das Verhältnis in Milligramm pro Liter ausgeatmeter Atemluft angegeben. Die gesetzlichen Grenzwerte dafür sind folgende:
Im Strafrecht bedeutet ein schweres Vergehen, dass der Fahrzeuglenker als Straftäter qualifiziert wird und dafür mindestens eine Geldstrafe sowie einen Eintrag ins Strafregister erhält.
Auf administrativer Ebene bedeutet ein schweres Vergehen den Entzug des Führerscheins für mindestens drei Monate. Das am 1. Juli 2014 neu in Kraft getretene Gesetz, insbesondere der Artikel 15, Abs. 1 SVG, hat einen weiteren wichtigen Grenzwert zur Bestimmung der Fahrtüchtigkeit nach einem Problem mit Alkohol am Steuer festgelegt: Wenn ein Lenker in angetrunkenem Zustand mit 0,8 mg/l (oder 1,6 %o) kontrolliert wird, wird die Fahrtüchtigkeit angezweifelt und eine Untersuchung muss stattfinden, das heisst es muss ein Gutachten erstellt werden. In einem solchen Fall ermächtigt die Rechtsprechung die Verwaltungsbehörde, einen präventiven Entzug des Führerscheins gemäss Artikel 30 VZV auszusprechen. Es muss jedoch festgehalten werden, dass, falls ein blosser Zweifel an der Fahrtüchtigkeit bereits eine ärztliche Untersuchung oder eine sonstige Abklärung rechtfertigt, eine Entscheidung über einen präventiven Entzug nur bei einem konkreten und schwerwiegenden Verdacht der Fahruntauglichkeit, der ein besonderes Risiko und eine unmittelbare Gefahr für andere Nutzer darstellt, möglich ist, wobei der Sachverhalt hier auf den Grad der Glaubwürdigkeit geprüft werden muss. Auf jeden Fall sollte eine solche Entscheidung über einen präventiven Führerausweisentzug erst getroffen werden, nachdem dem Betroffenen die Gelegenheit gegeben wurde, sich zu äussern, damit sein Recht auf Anhörung gewährt ist (Art. 23 SVG).
Während die Folgen eines präventiven Führerscheinentzugs und eines medizinischen Gutachtens schwerwiegend sind, besonders in Hinsicht auf den Verlust der Rechts zu fahren, aber auch in Bezug auf die Kosten, die das Gutachten verursacht und die vom Fahrer getragen werden müssen, ist es Art. 15d Abs. 1, Bst a SVG zu verdanken, dass der Atem-Alkoholwert (0,8 mg/l) und der Blut-Alkoholwert (1,6 %o) klar definiert sind. Nach dem alten Gesetz und mittels verschiedener Erlasse hatte das Bundesgericht diesen Grenzwert auf 2,5%o festgelegt, weil es der Meinung war, dass ein solcher Wert auf ein Alkoholabhängigkeits-Problem hinwies. Das neue Gesetz ist daher viel restriktiver, und das ist kaum überraschend.
Doch der restriktive Geltungsbereich des neuen Rechts beschränkt sich nicht auf das Gesagte. Abgesehen vom Sonderfall, der in Art. 15d Abs. 1, Bst a SVG ausdrücklich vorgesehen ist, hat das Bundesgericht auch berücksichtigt, dass im Falle einer dritten Trunkenheit innerhalb von 10 Jahren ebenfalls eine medizinische Untersuchung (und ein präventiver Führerscheinentzug!) verfügt werden muss. So kann sich die Behörde bei einer wiederholten (auch einfachen) Trunkenheit in drei Fällen veranlasst sehen, eine ärztliche Untersuchung anzuordnen und den Führerschein des schuldigen Fahrers für eine unbestimmte Zeit präventiv zu entziehen. Allerdings kann es ausnahmsweise auch anders verlaufen, wenn im Zeitraum zwischen zwei Trunkenheiten mehr als 5 Jahre vergangen sind - vorausgesetzt, dass es sich bei keiner der beiden Verfehlungen um eine qualifizierte Trunkenheit gehandelt hat.
Schliesslich kann ebenfalls ein Gutachten angeordnet werden, wenn die Trunkenheit am Steuer unter besonderen Umständen festgestellt wird, vor allem wenn sie kurze Zeit nach einer ersten Trunkenheit eintritt, auch wenn sie unqualifiziert ist, oder wenn der Alkoholkonsum zusammen mit der Einnahme eines Suchtmittels erfolgt.
Wie man sehen kann ist es nicht notwendig, dass eine festgestellte Trunkenheit Anlass zu einem medizinischen Gutachten gibt oder dass ein präventiver Führerscheinentzug ausgesprochen wird. Dennoch muss man sich bewusst sein, dass eine solche Massnahme von der Verwaltungsbehörde immer in Anbetracht der konkreten Umstände getroffen werden kann.